Auszüge aus dem Internetforum

"Schülerselbstmord am Kippenberg-Gymnasium" 

Beginn: 09.05.01 um 10:22
Marie-Louise :

Als Mutter einer Mitschülerin bin ich entsetzt über die Nachricht, dass

sich am Montag (7.5.) der kleine Gregor das Leben genommen hat. Er

ging in die 7.Klasse (Orientierungsstufe) und konnte dem dort

herrschenden überzogenen Leistungsdruck nicht mehr Standhalten. Der

Notendurchschnitt der gesamten Klasse war in den letzten Monaten

dramatisch gesunken. Selbst sehr fleißige und äußerst begabte Kinder

fielen enorm ab, in dieser Klasse! Der Klassenlehrer Herr Sch. hat

gerade in seinem Englischunterricht die Schüler massivst verunsichert

und unter starken psychischen Druck gesetzt. Seine didaktischen

Fähigkeiten stelle ich nach den Berichten meines Kindes über den

Unterricht dieses Herrn stark in Zweifel. Der elitäre Anspruch dieser

Schule darf nicht so weit gehen, das Kind als individuelle Persönlichkeit

zu missachten und gnadenlos, ob seiner fleißigen Bemühungen, zu

reinen Leistungsträgern zu degradieren. Am Tag nach dem Unfassbaren

stellte der Klassenlehrer den zutiefst verunsicherten und geschockten

Kindern die Frage, wie so etwas geschehen konnte... stellte Fragen

zum persönlichen Empfinden des kleinen Gregor.....

Der Klassenlehrer hätte sich diese Fragen lieber selber stellen sollen.

Sicher haben er und der Schulkörper damit mehr zu tun als sie der

trauernden Schülerschaft vorgeben.......

Meine Trauer und auch meine Wut sind grenzenlos.

Wie geht die Leistungsgesellschaft mit Unseren Kindern um, -was wird

die Zukunft bringen?

Ricardo :

liegt die verantwortung für dieses schreckliche geschehen allein bei der

schule? setzen nicht auch eltern ihre armen kinder massivem leistungsdruck

aus anstatt schulischen druck mit liebe- und verständnisvollem

verhalten auszugleichen oder zumindest etwas abzufedern?

unbekannter Autor :

auch meine kinder haben an einer bremer schule, bis zur schikane

aushalten müssen, ich habe sie runtergenommen, bin einfach

umgezogen. sie bekamen andere lehrer und kamen gut mit, und haben

heute einen sehr guten beruf, wo man noch soviel verdient, das man

eine familie gut ernähren kann.

lehrer ist für viele der beruf, weil sie sonst nichts zustande bringen und

dieses studium am einfachsten ist.

es gibt eben solche und solche. und kinder sind glücklich zu schätzen,

wenn sie einen lehrer haben, für dem sein beruf auch eine berufung ist.

die unterschiede sind sehr krass.

Anna:

Achtung! Kann sich hier jemand mal von der Kippenberg-Schule zu

Antwort melden? Oder kennt ihr Einen der dort hin geht? Sprecht Leute

mal über den Vorfall an, ob da konkret Lehrer im Spiel waren. So was

sollte nicht im Sande verlaufen. Was über die Hintergründe zu erfahren

wäre nicht schlecht.

Arja:

Ich habe diese Schule auch ein paar Jahre lang "genießen" dürfen und

bin dann vor der Oberstufe freiwillig auf ein anderes (leider heute nicht

mehr existierendes) Bremer Gymnasium gewechselt - womit ich mich

klimatisch und inhaltlich eindeutig verbessert habe. Ist zwar inzwischen

gut eineinhalb Jahrzehnte her, die Schilderungen betr. Kippenberg

kommen mir aber doch sehr vertraut vor.

Achim :

Hallo Betty und alle anderen . Ich war das letzte mal zum thema

euthanasie im forum. Wenn ich mich richtig erinnere, waren einige

teilnehmer der ansicht, das jeder das recht hat seinen tod selbst zu

bestimmen . Ich stand in der damaligen auseinandersetzung ziemlich

allein da. Dieser fall beweist doch wieder, dass nur wer funktioniert

geliebt und anerkannt wird. Damals ging es um alte menschen, bei

denen wir nachhelfen. Heute hat ein kind keinen ausweg mehr gesehen,

weil er aus welchen gründen auch immer von keinem mehr

bedingungslos geliebt und oder wenigstens anerkannt wurde. Nur der

schule die schuld zu geben ist doch zu billig, es gibt eltern, freunde,

umfeld die alle versagt haben oder zumindest nicht erkannt haben, dass

hier ein Mensch, ein kind in eine seelische sackgasse geraten ist. Es ist

aber auch wieder ein trauriges ereignis, das uns wach rütteln sollte, die

gleichgültigkeit in der (gesellschaft) aufzubrechen.

Mitschüler :

Ich bin traurig und gebe dem Herr Sch. einen Teil Schuld am Tod. Er

hat uns wirklich manchmal gemein gequält. Sagte z.B. dass er

besonders!! hart benotet und das wir bei den anderen Lehrern wesentlich

besser abschneiden würden. Auch mal sagte er vor der gesamten

Klasse, dass er zu faul gewesen war eine Klassenarbeit für uns neu zu

schreiben, da hat er einfach eine genommen die er gerade zur hand

hatte (vom letzten Jahr und andere Klassenstufe). Es waren Fragen

darin, von den wir nichts wissen konnten. Warum muss ein Lehrer uns

so bescheißen (sorry, aber ich bin echt total wütend). Er macht zwar

auf nett ist aber ganz anders.

Tim :

Das müsst ihr euch nicht bieten lassen, auch Schüler haben Rechte.

Es erscheint natürlich das Lehrer meistens am längeren Hebel sitzen.

Aber ihr habt immer die Möglichkeit der totalen Verweigerung. Nehmt

einfach nicht am Unterricht teil. Und besprecht so was mit eurer SV,

oder wenn die euch nicht helfen will dann ruft bei der GSV

(=GesamtschülerInnenvertretung) an, oder geht da persönlich hin.

(Schmidtstr. 10 im Viertel, Tel: 0421-3613185, jeden Schultag ab 16.00

Uhr). So etwas ist natürlich nicht Risikolos. Notendruck ist keine Sache

die man einfach so wegsteckt, und natürlich muss so etwas eine ganze

Klasse zusammen machen, und auch dabei zusammenrücken. Ich

weiß nicht ob das alles gegeben ist. Aber eure SV oder die GSV ist

keine schlechte Adresse.

Robin :

Der Tod des Schülers im Zusammenhang mit den Verhaltensweisen

eines unreflektierten Lehrkörpers, der seinen Status dazu nutzt, eigene

Defizite auf Schutzbefohlene abzuwälzen ist weder neu noch ein

Einzelfall.

Mobbing an Schulen durch Lehrer ist Normalalltag. Leider haben die

meisten Kinder und Eltern zu sehr Angst, dagegen massiv anzugehen,

um vom ohnehin schon gebeutelten Kind weiteren Schaden

abzuwenden, indem man vermeidet, den Lehrkörper in die Enge zu

treiben.

Die Positionen der verbeamteten Lehrer sind zu sicher. Sie verstecken

sich hinter einer verkomplizierten Terminologie um Eltern mit weniger

umfangreicher Schulbildung zu verunsichern und ihnen die Chance zu

nehmen, den Sachverhalt nachzuvollziehen.

Kontrollen der Verhaltensweisen oder Supervision, wie in sozialen

Einrichtungen oft obligatorisch und verpflichtend eingesetzt, werden an

Orten wie Schulen nicht angeboten. Der Lehrer kann sich aus eigenem

Interesse eine Supervisorin suchen. Pflicht ist es nicht!

Wahrscheinlich wird das Kippenberg-Gymnasium alle Vorwürfe

scheinheilig vernebeln. Verantwortungsbewusstsein? Null? Oder gibt es

doch noch einen Lichtblick am gymnasialen Horizont?

Akademikertum schützt nun mal nicht vor Mangel an emotionaler

Intelligenz.

In diesem Sinne mein herzliches Beileid für die betroffenen Eltern

dieses verzweifelten Kindes.

 

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